Die Una (Fluss) begleitet uns aus Bihać hinaus. Wir durchqueren kleine, einfache Dörfer und schönes, ruhiges Waldgebiet. Doch die Idylle trügt: immer wieder sehen wir Landminenwarnschilder.
In der Kleinstadt Bosansko Grahovo fahren wir auf der Suche nach einem Laden in die Ortsmitte. Hier sind die Spuren des Krieges unübersehbar. Der ganze Dorfkern ist zerstört, überall hat es Ruinen. Auch 25 Jahre nach dem Krieg ist hier vieles nicht aufgeräumt oder wiederaufgebaut. Wir sind bestürzt. Es folgt eine zerbombte Siedlung nach der anderen. Nur sehr wenige Menschen wohnen hier. Wieder? Immer noch? Eine Frau winkt von ihrem blumengeschmückten Balkon herunter. “Dobar dan!” ruft sie uns fröhlich zu. Wir grüssen erfreut zurück. Unser Blick fällt auf die Fassade ihres Hauses. Sie ist mit Einschusslöchern übersät. Wir sind betroffen, schockiert, traurig, wütend. Es nimmt kein Ende - 44 km lang.
Der Kontrast könnte nicht grösser sein, denn die Landschaft auf diesem Hochplateau ist lieblich und wunderschön. Doch auch hier lassen sich bei genauerem hinsehen Spuren des Krieges erahnen. Etliche kreisrunde Gruben im Boden wecken unsere Aufmerksamkeit. Explosionskrater? Oder doch einfach eine Laune der Natur? Wir wissen es nicht.
Auf unserem weiteren Weg durch Bosnien & Herzegowina wächst uns das Land richtig ans Herz. Abseits der grösseren Orte gibt es nur wenig touristische Infrastruktur. Und auch sonst nicht viel. Das gefällt uns. Hier ticken die Uhren noch anders. Vereinzelt sind die Menschen mit Pferdewagen unterwegs. Ziegen- und Schafherden verweilen von Hirt_innen begleitet auf den erst spärlich grünen Wiesen. Kühe und Hühner bewegen sich frei. Leider tun dies auch manche Hunde. Diese sind ob unserer Anwesenheit auf “ihrer” Strasse nicht erfreut und zeigen uns das auch. Die Menschen hingegen begegnen uns stets freundlich und hilfsbereit. Wir fühlen uns willkommen. Unterwegs werden wir mit Orangen, Mandarinen und Knoblauch beschenkt.
Auch landschaftlich gibt Bosnien & Herzegowina einiges her. Glasklare oder türkisfarbene Flüsse winden sich durch Täler und Hochebenen. Es ist hügelig bis bergig. So bewegen wir uns oft auf 500 - 900 M.ü.M. Hochplateauabschnitte ermöglichen uns eine Verschnaufpause vom ständigen Auf-und-Ab. Die Natur scheint hier noch unberührt zu sein. Wald- und Landwirtschaft wir nur in sehr kleinem Stil betrieben. Verkehrsarme Strassen in tadellosem Zustand und meist rücksichtsvolle Autolenker_innen runden das Ganze ab. Bosnien & Herzegowina ist ein wahren Geheimtipp für entdeckungsfreudige (Rad-)Reisende. Einziger Wermutstropfen: der Abfall, der in rauen Mengen am Strassenrand oder in unsachgemässen Deponien entsorgt wird.
In Mostar steht unser nächster Coronatest an. Dieser findet an der Universitätsklinik statt. Der Ablauf ist klar, übersichtlich und kommt ohne übermässige Wartezeit aus. Das Personal erscheint kompetent und ist zuvorkommend hilfsbereit, z.B. als uns eine Übersetzung des Testergebnisses angeboten wird.
Nebst Covid-Test, Film schneiden und Bericht schreiben, nehmen wir uns auch Zeit, die wunderschöne - menschenleere - Altstadt von Mostar zu erkunden. Der Vermieter unseres Apartments ist der geborene Gastgeber. Er ist sehr um unser Wohl besorgt. Er bietet uns an, seine Werkstatt zu benutzen, falls wir etwas für die Fahrräder brauchen. Fast schade, dass wir nichts zu flicken haben. :) Er lädt uns auf Hurmašice (in zuckergetränkte Süsspeise) ein und schenkt uns lokalen Wein.
Von Mostar ist es nicht mehr weit zur montenegrinischen Grenze. Fast etwas wehmütig werden wir beim Gedanken, das Land zu verlassen. Es waren intensive, lehrreiche Wochen in Bosnien & Herzegowina. Wir haben ein Land mit einer traurigen Geschichte und einer komplizierten Gegenwart kennengelernt. Wir hoffen, das die Zukunft dem Land Einigkeit, Fortschritt und Nachhaltigkeit bringt.
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