Ein leichter Wind weht Abfall durch die Strassen, laufende Motoren der Geländewagen brummen, Männer im Thwab (traditionelles, langes Gewand) fahren in ihren leeren Touristen-Pickups im Dorf herum. Barfüssige Kinder jeden Alters rennen auf den sandigen Wegen zum Minimarkt, vor dem wir sitzen. Wir sind in Wadi Rum Village. Ein unwirtlicher Ort. Das kleine Dorf besteht ausnahmslos aus einstöckigen, heruntergekommenen Gebäuden. Graue Mauern schützen die Wohnverschläge vom Sand. Cafés und Läden sind geschlossen, der Verfall hat bereits eingesetzt. Nebst einer Jungen- und einer Mädchenschule scheint es hier nichts an Infrastruktur zu geben. Die Kulisse hinter dieser Tristesse: atemberaubend! Die roten Felswände von Wadi Rum ragen neben Rum Village in die Höhe. Wir sind betroffen, dass am Rande eines der absoluten Touristenhighlights von Jordanien die Menschen so leben. Gleich am Dorfrand beginnt die Wüste. Dorthin wollen die Touristen. Wüstencamps locken mit Beduinenromantik. Der Tourismus ist die wichtigste Einnahmequelle der Menschen hier. Doch die instabile Lage in den Nachbarländern und die durch den Syrienkrieg blockierte Überlandroute aus Europa setzt dem Tourismus in Jordanien schon seit Jahren zu. Dabei ist das Land stabil und sicher zu bereisen. De Coronapandemie ist da nur noch das saure Sahnehäubchen.
Das ungleiche Verhältnis von Touristen zu Guides hat zur Folge, dass wir kaum eine ruhige Minute haben. Uns werden allerlei Touren und Campübernachtungen zu Schleuderpreisen angeboten. Doch wir wissen noch gar nicht so genau was wir eigentlich wollen. Mit dem Fahrrad können wir nicht ins Wadi Rum fahren. Die Pisten sind für uns zu sandig. Eine Campübernachtung spricht uns genau so wenig an, wie im Dorf zu bleiben. Am anderen Ende des Wadi Rum, ca. 30 km von hier, beginnt wieder eine Teerstrasse. Wäre es nicht schön, auf diesem Weg weiter nach Aqaba - die Zielstadt unseres Jordanientrips - zu fahren? Michel gefällt die Idee auch. Er ist einer der vielen Guides, die uns angesprochen haben. Doch sein Interesse an uns und unseren Fahrrädern scheint echt zu sein. Mit seinen dunklen Locken, die unbändig unter dem Kopftuch hervorschauen und seinem jugendlichen Enthusiasmus war er uns gleich sympatisch. Er bietet uns an, uns samt Fahrrädern mit seinem Pickup durch das Wadi Rum zur Teerstrasse in Titin zu fahren - gegen ein faires Entgeld von 20 JOD (25 Chf). Wir verabreden uns für den Nachmittag und müssen ihm mit Handschlag versprechen, dass wir dann noch hier sein werden. Sicher sind wir das. Wo sollen wir auch hin? Pünktlich eine Viertelstunde vor ausgemachter Zeit ist er da. Als die Velos, das Gepäck und wir auf der Ladefläche seines Toyota Hilux Platz gefunden haben, holen wir noch einen Freund von Michel ab, dann geht es ab durch die Wüste. Das Wadi Rum öffnet sich zu einer weiten Ebene. Der Sand liegt in rot, orange und weiss zwischen bizarren Felsformationen, die wie vom Wasser ausgewaschen wirken. Es ist einfach wunderschön! So schön, dass wir fast vergessen Fotos zu machen. Diese können die imposante Landschaft sowieso nur unzureichend einfangen. Wir fahren immer tiefer ins Wadi Rum hinein. Das Tal wird wieder enger, die dunkelroten Felsen sind jetzt zum greifen nah. Hier gibt es keine anderen Autos oder Zeltcamps mehr. Michel steuert den Wagen routiniert und rasant über die unwegsamen Pisten. Wer in Rum Village aufwächst, lernt das wohl schon von Kindesbeinen an. Nach einer Stunde erreichen wir bis aufs Mark durchgeschüttelt Titin. Gefühlt das Ende der Welt. Hier gibt es nichts - Rum Village hat wenigstens noch Touristen. Manchmal. Wir verabschieden uns von Michel uns seinem Freund, die winkend wieder davonrauschen. In absoluter Ruhe stehen wir einsam auf der Strasse.
Einfach toll - zumal es bis nach Aqaba jetzt eigentlich nur noch bergab geht. Wir fahren noch ein paar Kilometer und bestaunen die Bergkulisse. Nicht weit hinter diesen Bergen beginnt Saudi Arabien. Weiter unten wird intensiv Kies und Sand abgebaut. Einer der Kieshügel bietet uns heute Nacht Wind- und Sichtschutz.
Die letzten Kilometer bis Aqaba sind am nächsten Morgen schnell runtergespult. Als wir den Hügel hinuntersausen, sehen wir eine grosse Stadt am Meer - oje, ist Aqaba tatsächlich so gross? Ach nein, das muss Eilat in Israel sein. Hier am Seitenarm des Roten Meeres treffen Ägypten, Israel, Jordanien und Saudi Arabien aufeinander. Abends, als wir bei Hummus und Falafel in einem kleinen Strassenrestaurant sitzen, können wir kaum glauben, dass wir erst seit gut zwei Wochen in Jordanien sind. Wie haben so viele Eindrücke und Begegnung in diesen wenigen Tagen Platz gefunden?
10. September, 14: 07: Unser Jordanien Abenteuer beginnt. Das Flugzeug hebt ab. Schon bald ist alles beige unter uns, wenn wir aus dem Fenster schauen: Sand und Wüste. Lange haben wir nicht Zeit, Israel und Jordanien von oben zu bestaunen, den der Flug von Zypern dauert nur eine gute Stunde. Der Queen Alia International Airport in Amman ist modern und die Pass- Einreise- und Covid-19-Kontrollen laufen zügig und professionell ab. Wir sind aber auch gut vorbereitet: alle Dokumente sind gleich zur Hand, die Gesundheitserklärung haben wir vorab ausgefüllt, das Visum bereits per Kreditkarte bezahlt. Mit der Rolltreppe fahren wir zur Gepäcksausgabe hinunter. Ob die Velos wohl heil angeko.... Aah da stehen sie ja schon! Die gut verpackten Kartons strahlen uns unversehrt entgegen. Juhui! Zwei Stunden später hat Meio die Velos wieder zusammengeschraubt und alle Reifen gepumt. Ich habe derweil unser Portemonnaie mit Jordanische Denar gefüllt und alle Taschen wieder richtig gepackt. Wir sind bereit. Das ist auch gut so, denn es geht schon gegen das Eindunkeln zu. Wir fahren unsere ersten Kilometer auf jordanischem Boden und suchen uns ziemlich bald einen Schlafplatz - der Flughafen liegt 35 km ausserhalb der Stadt. Bei einer Moschee fragen wir um einen Zeltplatz. Uns wird freundlich einen Schlafplatz in einem nicht mehr genutzten Gebetsraum zugewiesen. Neben bunten Gebetsteppichen richten wir unser Schlaflager ein. Den Abend lassen wir vor der Moschee sitzend, das gegenüber grasende Kamel beobachtend, ausklingen. Was für ein Tag - ein perfekter Start in dieses Land!
Amman ist eine lebendige Stadt mit Basaren, Läden, hupenden Autos und - für uns - weihnachtlich anmutender abendlicher Strassenbeleuchtung. Wir schlagen uns die Bäuche mit Hummus und Falafel voll, schlendern durch die Strassen und geben uns etwas Aklimatisierungszeit an die fremde Kultur.
Das ist auch nötig, vor allem für mich. Überall Männer! Strassenverkäufer, Kellner, Kassierer im Supermarkt, Angestellte in Geschäften, Taxifahrer, Polizisten und auch in unserem Hostel sind ausnahmslos Männer beschäftigt und Männer zu Gast. Puh, das ist etwas gewöhnungsbedürftig. Mit wenigen Ausnahmen werde ich freundlich und respektvoll behandelt - auch wenn Meio mal nicht bei mir ist. Ich fühle mich also eigentlich ganz wohl so alleine unter Männern.
Frauen sehen wir auf der Strasse beim Spazieren, in Autos vorbeifahren, auf dem Markt beim Einkaufen oder in Restaurants und Cafés sitzen. Sie sind also schon da und auch unterwegs, nur haben wir wenig Berührungspunkte mit ihnen. Dies wird sich leider auch in den nächsten zwei Wochen nur wenig ändern. Schade. Die meisten Frauen tragen ein Kopftuch. Von mir wird das aber nicht erwartet. Es gibt verschiedenste Arten das Kopftuch zu tragen. Von modern und turbanartig gebunden bis lose um den Kopf geschlungene Tücher zu ganz eng anliegenden dunklen Kopftüchern ist alles dabei. Auch die Bekleidung der Frauen ist so individuell wie die Frauen selbst. Man sieht alles: Jeans und Bluse, lange reich verzierte Kleider, die mit ihrem schmalen Schnitt und engen Gürteln durchaus figurbetont sind, luftige weite Hosen, traditionelle, bunte Gewänder (Abaya), selten auch einmal eine ganz in schwarz verhüllte Frau mit Chador (ganzes Gesicht frei) oder Niqab (nur die Augenpartie bleibt frei). Eine Frau in einer Burka, bei der auch die Augenpartie mit einem Netze bedeckt ist, haben wir nie gesehen. Als wir dann endlich wieder auf die Velos steigen, sind wir richtig fröhlich. In nur einem Tag fahren wir ans Tote Meer. Es ist der tiefste Punkt der Erde (minus 400 Meter). Entsprechend geht es viel bergab. Mit jedem Höhenmeter, den wir runterkommen, wird es heisser. Unten angekommen suchen wir fast panisch Schatten und etwas frisches zum Trinken. Am Strassenrand hat es ein paar mit Planen bedeckte schiefe Marktstände. Bei einem von ihnen erstehen wir eine überteuerte Flasche kaltes Wasser. Dafür lädt der Verkäufer uns ein, hinter dem Stand bei ihm im Schatten auf einer muffigen Matratze Platz zu nehmen. Unser Gastgeber ist so aufmerksam und stellt seine Klimaanlage für uns an. Ja, wir sitzen bei 40 Grad in einem offenen Zeltverschlag und die Klimaanlage läuft. Keine Ahnung, woher hier überhaupt Strom kommt. Obwohl wir die kühle Brise geniessen, ist die Situation völlig absurd.
Unser Zelt schlagen wir diese Nacht neben einer heissen Quelle auf. In dieser Hitze ist selbst das warme Wasser eine angenehme Erfrischung.
Am nächsten Tag fahren wir der Küste entlang in den Süden. Das Ufer des Toten Meeres liegt ca. 50 hm unterhalb der Strasse und ist kaum jemals zugänglich. Zu geröllig, felsig und instabil ist es. Wer also baden will, müsste wohl am besten in eines der grossen Ferienresorts ganz im Norden gehen. Das wollten wir nicht, so verzichten wir also auf ein Bad. Immerhin dürfen wir diesen einzigartigen Ort noch mit Wasser erleben, denn bereits in wenigen Jahren könnte das Tote Meer ganz ausgetrocknet sein. Dem Jordan, dem einzigen Frischwasserzufluss, wird von Israel, Jordanien und Syrien so viel Wasser entnommen, dass er bei seiner Mündung im Toten Meer nur noch ein Rinnsal ist. Riesige Industrieanlagen im Südteil des Toten Meeres tun ihr übriges dazu, dass der Wasserspiegel immer schneller sinkt.
Wegen der Hitze und fehlendem Schatten scheuen wir den 2000 hm umfassenden und 25 km langen Anstieg vom Toten Meer ins Landesinnere. Wir wollen uns also eine Mitfahrgelegenheit suchen. Das gestaltet sich schwieriger als erwartet. Wir stehen an der Hauptstrasse im Dorf Al Mazra. Sobald es sich herumgesprochen hat, dass wir nach Tafila wollen, werden uns immer wieder Minibusfahrer geschickt, die extra für uns dahin fahren würden. Das ist dann natürlich viel zu teuer. Wir wollen kein Privattaxi, sondern eine Mitfahrgelegenheit. (Die wir selbstverständlich angemessen bezahlen würden.) Das scheint schwer verständlich. Wir stehen wohl auch einfach noch zu weit weg vom Abzweiger, so dass viele gar nicht bis dahin oder in diese Richtung fahren. Irgendwann finden wir uns mit einen fremden Telefon in der Hand mit einer uns unbekannten Person telefonierend wieder. Die Tonqualität ist miserabel und der Lärmpegel um uns herum sehr hoch. Wir verstehen nur, dass wir zu “NEA” kommen sollen, wo diese Person ist und immer wieder “for free”. Wir wissen zwar nicht, was “NEA” ist, es ist aber nur 3 km entfernt. So fahren wir in der Hoffnung, eine Mitfahrgelegenheit gefunden zu haben, dahin. Der Besitzer des Telefons folgt uns mit seinem Minibus. Als wir ankommen sehen wir eine Landwirtschaftsbetrieb, einen Garten mit Terrasse und werden in einen Raum mit Tischen geführt, wo mehrere touristisch aussehende Leute bei Tee und Mittagessen sitzen. William, ein kleiner Mann mit offenen, freundlichen Augen, begrüsst uns. Wir trinken Tee. Wir haben keine Ahnung was abgeht und wo wir gelandet sind. Es wird Essen aufgetischt. Wir essen. Langsam wird die Situation klarer: der Minibusfahrer ist Williams Cousin. William betreibt hier das Numeira Enviromental Association Community Center. Das Center beinhaltet eine permakulturbasierte Landwirtschaft, ein Ausbildungsprogramm für Nachhaltigkeit und Umweltschutz, ein Aufklärungsprogramm zum schwindenden Wasserspiegel des Toten Meeres, ein kleines Restaurant und eine Velowerkstatt. Aha, da ist er, der Link zu uns! Mit einer Mitfahrgelegenheit nach Tafila hat er aber nichts zu tun. William fragt uns, ob wir einen Tag bleiben wollen um beim Velo warten und flicken zu helfen. Klar, machen wir doch gerne. Am nächsten Tag lerne ich also endlich richtig Schläuche zu wechseln. Aber wir erfahren auch viel über eine weitere, dramatische Auswirkung des sinkenden Wasserspiegels des Toten Meeres: die Sinklöcher. Durch das Verschwinden des Wasser bauen sich unterirdische Salzlager ab. Der Boden wird instabil und stürzt plötzlich ein - und reisst Häuser und bewirtschaftete Felder mit sich. Die Gegend wird unbewohnbar. Die Menschen ziehen weiter den Hang hinauf. Und da kommen die Velos ins Spiel: das Community Center stellt den Leuten Fahrrädern zur Verfügung, dass sie ihre immer weiter weg liegenden Felder mit den Velos schneller erreichen. Zudem sollen in Zukunft touristische Velotouren zu den Sinklöchern am Ufer des Toten Meeres gemacht werden.
Nach einem Tag arbeiten in Velowekstatt und Büro (Inventarliste führen) steigen wir nachdenklich auf unsere Velos. Es macht uns traurig, wie rücksichtslos wir Menschen mit unserer Erde umgehen.
Wir fahren etwas und positionieren uns dann genau am Abzweiger nach Tafila. Wir versuchen erneut eine Mitfahrgelegenheit zu finden. Feras betreibt an der Kreuzung einen kleine Laden. Wir setzen uns davor und kommen ins Gespräch. Er hat eine Leidenschaft für Fussball und Reisevideos auf Youtube. Er warnt uns von einem Rudel wilder Hunde, das in den Bergen auf der Strecke nach Tafila lebt. An die 100 Tiere soll es umfassen. Er ist erleichtert, als wir ihm erzählen, dass wir sowieso nach einer Mitfahrgelegenheit suchen. Mit Feras Hilfe ist im Handumdrehen eine gefunden. Mit einem Tomatenbauern, der in Tafila ein Meeting hat, dürfen wir mitfahren. Gratis. Schön, wie freundlich und hilfsbereit die Menschen hier sind. Die Fahrt nach Tafila ist aus dem klimatisierten Auto aus ein Genuss. Orange, karge Berge dehnen sich aus soweit das Auge reicht. Es gibt keine Vegetation, nur Gestein. Mit dem Fahrrad wäre das tatsächlich kein Vergnügen gewesen. Auf halber Strecke kommen uns dann eine handvoll Hunde bellend entgegen gerannt. Bei genauerem Hinsehen entdecken wir immer mehr zwischen den Felsen liegen und am Strassenrand dümpeln. Es sind tatsächlich ungemütlich viele.
Ahh. Durchatmen! Angenehm kühle Luft strömt uns entgegen, als wir auf 1600 M.ü.M. aus dem Auto steigen. Das ist gut, denn auch jetzt haben wir noch einiges an Höhenmeter vor uns, bis wir unser nächstes Etappenziel Petra erreichen werden. Als wir an diesem Abend einen Schlafplatz suchen, bietet uns ein junger Mann einen Zeltplatz hinter seinem Haus an. Es ist etwas dreckig und ein Misthaufen liegt auch daneben, aber wir sind ja nicht zimperlich. Als wir das Zelt aufbauen, kommt ein älterer Mann mit tief gefurchtem Gesicht schwer schnaufend den Hang hinauf gelaufen. Er stütz sich auf einem hölzernen Stock ab. Wir identifizieren ihn als Vater des jungen Mannes. Es ist mit unserem Schlafplatz nicht einverstanden. Er will uns nicht im “Dreck” schlafen lassen. Er lädt uns in den Garten ein. Granatäpfel hängen rot und reif an den Bäumen. Gelb leuchtende Kaktusfeigen baumeln an grossen Kakteen. Es ist eine kleine Oase. Hier können wir schlafen oder, ganz beiläufig zeigt er auch noch auf das Dach. Oh, unser Interesse ist geweckt. Er registriert das und geleitet uns sogleich nach oben. Wow, es tut sich ein Wahnsinnsblick auf das Tal auf. Das nehmen wir. :) Seine zwei Töchter in identische, farbige Tücher gehüllt, kichern und bringen uns Orangensaft. Später kommt der Vater keuchend die Treppe herauf, in einer Hand ein Tablett mit Tee, in der anderen sein hölzerner Gehstock. Es ist uns unangenehm, welche Anstrengungen unsertwegen unternommen werden. Diese Freundlichkeit und Gastfreundschaft anzunehmen fällt manchmal gar nicht so leicht. Als es dunkel wird, überkommt uns ein fremdartiges Gefühl: wir frieren! :) Wohlig kuscheln wir uns in unsere Schlafsäcke. Friedlich schlafen wir unter 1000 Sternen mit einer kühlen Brise um die Nase ein.
Zwei Tage später erreichen wir die Felsenstadt Petra. Sie ist seit 1985 Unesco Weltkulturerbe und gehört zu den neuen sieben Weltwunder. Für uns ist es das zweite moderne Weltwunder - das Kolosseum in Rom hatten wir auf dem Heimweg von unserer ersten Fahrradreise besichtig. Bereits um 7:00 laufen wir los. Noch sind wir fast alleine unterwegs. Der Gang durch den Siq, der sich zum Schatzhaus des Pharaos (Mausoleum) hin öffnet, ist grandios. Nach zwei Stunden haben wir uns satt gesehen und holen unsere Velos wieder ab. Gegen ein paar Postkarten, durften wir die Fahrräder bei einem Souvenierladen sicher parken.
Aus Petra - oder Wasi Musa, wie die eigentliche Ortschaft heisst - raus zu fahren, ist etwas, das man sich mit dem Fahrrad wohl nur einmal im Leben antut. Erbarmungslos führen die Strassen geradewegs den Berg hinauf. Sogar Autos kommen ins Spulen beim Anfahren. Wer hat denn bloss diese Strassen geplant? Selbst in einer Zeit vor Fahrrädern und motorisierten Vehikeln war das eine unnötige Plackerei. Irgendwann haben wir es aber geschafft und es geht nur noch moderat durch Stein- und Geröllwüste bergauf. Zwei Adler (vermutlich) gleiten vor uns her und begleiten uns ein Stück. Hier draussen herrscht die totale Ruhe.
Am nächsten Tag verändert sich die Landschaft drastisch: aus grauer Geröllwüste wird oranger Sand und roter Fels. Wir nähern uns Wadi Rum. Das bedeutet aber auch, dass wir unsere einsame Strasse verlassen und auf einen Highway abbiegen müssen. Über die paar Autos mehr tröstet die Abfahrt in dieser Kulisse allemal hinweg. Zum Eingang der “Wadi Rum protected Area” zweigen wir aber wieder auf eine ruhige 30 km lange Strasse ab. Bereits hier ist es wunderschön. Wir fahren quersandein und suchen uns hinter einem Felsen einen Zeltplatz. Der Sternenhimmel hier draussen ist gigantisch.
Am nächsten Morgen radeln wir weiter. Die Felswände ragen steil empor. Kamele spazieren auf der Suche nach ein paar vertrockneten Büschen im Sand herum. Die Ruhe endet jäh, als wir Rum Village erreichen. Hier endet die Teerstrasse. Am Ortseingang sammeln sich Gruppen von Tourguides auf der Suche nach Arbeit. Wir flüchten etwas weiter ins Dorf hinein. In einem Minimarkt holen wir uns etwas zu Trinken und eine Packung Chips. Wir beobachten das Geschehen. Ein leichter Wind weht Abfall durch die Strassen, laufende Motoren der Geländewagen brummen, barfüssige Kinder jeden Alters rennen auf den sandigen Wegen zum Minimarkt, vor dem wir sitzen.