Nordmazedonien verbindet alles, was wir uns unter “Balkan” vorstellen. Dabei hatten wir vorher von diesem Land so gar kein Bild. Es ist schön, wie sich die weissen Flecken auf der Landkarte Osteuropas langsam mit Farben füllen. In Nordmazedonien ist das ein saftiges Grün der Wiesen, gesprenkelt mit einem zaghaften Weiss und Blassrosa der blühenden Bäume, durchbrochen von kräftigem Blau und sanftem Gelb von Bienenstöcken. Aber auch ein leuchtendes Orange, Rot und Gelb von den Auslagen der Obstverkaufsstände. Abschliessend kommt ein fades Gemisch aus grau, beige und hellblau dazu: Plastikmüll!
Am Ohridsee, einem der ältesten Seen der Erde, überqueren wir die Grenze zu Nordmazedonien. Wir können ohne PCR-Test einreisen, da Nordmazedonien derzeit keine coronabedingten Einreisebeschränkungen hat. Auch mal wieder ganz erfreulich. Wir fahren in den Ort Ohrid hinein. Wir sind überrascht ab der Grösse. Das ist ja eine richtige Stadt. Zumindest für uns aus Liechtenstein Kommende. :)
Ohrid war im Mittelalter ein geistiges Zentrum des Christentums in Südosteuropa. Das ist spürbar. Es hat viele Kirchen und Klöster, die für die orthodoxe Kirche heute noch von grosser Bedeutung sind. Die Altstadt mit Festung und Amphitheater ist noch gut erhalten. Der Ohridsee und dessen Umgebung gehört seit 1980 zum UNESCO-Welterbe. Bei einem Abendspaziergang erkunden wir die Altstadt und sind begeistert. Aber auch bei Tag ist es ganz nett. :)
Von Ohrid fahren wir in zwei Tagen nach Skopje. Es ist angenehm ruhig auf den Strassen. Die Menschen sind zurückhaltender als in Albanien. Das Hupen zum Grusse schwindet fast ganz. Die Gegend ist eher dünn besiedelt und von buschigen Hügel, Wiesen und Weiden geprägt. Wir geniessen es in vollen Zügen.
Immer wieder fallen uns die fast schon lächerlich grossen nordmazedonischen Flaggen auf. Sie hängen in Ortschaften, an Gebäuden, an Tankstellen, bei Denkmälern etc. Stutzig machen uns aber eher die albanische Flaggen, die hier auch sehr oft zu sehen sind. Wir erfahren, dass hier im Nordwesten Nordmazedoniens viele Albaner leben. Sie sind die grösste Minderheit in dem von vielen Ethnien bevölkerten Staat. Das von aussen scheinbar friedliche Zusammenleben ist etwas trügerisch. Immer wieder gab es Spannungen zwischen der mazedonischen und albanischen Bevölkerung in der Region. Die extreme Beflaggung könnte also durchaus als provokativ verstanden werden. Auch die Religionszugehörigkeit wird mancherorts sehr ausladend zur Schau gestellt. Steht in einem Dorf eine grosse Moschee, kommt das nächste mit überdimensioniertem Kreuz daher. Bleibt zu hoffen, dass sich die Situation Richtung Akzeptanz, Gemeinschaft und Frieden entwickelt - und nicht umgekehrt.
Skopje überrascht als moderne, gepflegte Stadt. Unsere Sightseeingtour beschränkt sich aber auf eine Rundfahrt mit dem Velo. In einem kleinen Strassenrestaurant speisen wir vorzügliches Gulasch, Curry und Köftje. Überhaupt finden wir gefallen an lokalen Snacks wie Burek, Pita und Co. die auf dem gesamten Balkan überall zu bekommen sind. Wir sind vor allem wegen einem PCR-Test für die Weiterreise nach Bulgarien hier. Es klappt alles reibungslos und wunderbar unkompliziert. Wir können den Test spontan ohne Anmeldung machen. Bereits am nächsten Morgen ist das Testergebnis auf Mazedonisch und Englisch online abrufbar. So gefällt uns das.
Mit dem Testergebnis in der Tasche, bzw. auf dem Smartphone, nehmen wir die 112 km und 1800 Höhenmeter bis zur bulgarischen Grenze in Angriff. Zum Glück darf der PCR-Test bei der Einreise 72 Stunden alt sein, so haben wir genügend Zeit.
Als wir aus der Stadt raus sind, wird es schnell wieder ruhiger. Abseits der Schnellstrasse führt die alte Strasse mit kaum Verkehr durch beschauliche Städtchen und Dörfer. Das Stadt-Land-Gefälle ist sehr hoch. Abseits der Ortschaften leben die Menschen in einfachen Häusern, z.T. fast eher Hütten und versorgen sich mit Hühnern, Ziegen, Schafen und Obst- und Gemüsegärten teilweise noch selbst. Zwischen den Orten hat es wieder viel Grün. Wildzelten ist hier gut und einfach möglich. Das, und das endlich frühlingshafte Wetter erfüllt uns mit Freude. Die Sonne scheint, die Nächte im Zelt sind nicht mehr kalt. Einzig als wir zum Grenzposten radeln, kommen wir in einen Gewitterschauer. Doch mit Aussicht auf bald wiederkehrenden Sonnenschein und auf Land Nummer 15 vermag das die Stimmung nicht zu trüben.
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