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Polen: Nowe Czaple - Niechorze, 14.8.2020 - 23.8.2020

Dzien dobry aus Polen! Nun sind wir also an der Ostsee - Juhui! Jeder Kilometer selbst geradelt (und ein paar wenige Meter geschoben :)).

Unser erster Tag in Polen führt uns gleich auf einen skurrilen Markt in Leknica an der deutsch/polnischen Grenze. Ein ganzes Ortsviertel voll mit zusammengebastelten Marktständen, dicht an dicht, überall Gänge und Gässchen - fast wie auf einem arabischen Bazar. Die Kundschaft ist ausnahmslos deutsch. Die Waren (vor allem Blumen, Kleidung, Obst, etwas Wurstwaren und Elektronik) werden auf Deutsch angepriesen. Als wir Zwetschgen kaufen und diese in Zloty, nicht in Euro, bezahlen wollen, kommt die gute Marktfrau etwas aus dem Konzept und muss umständlich den Preis umrechnen. Um den Markt herum werben duzende Tankstellen: billiger Benzin, billige Zigaretten, billiger Alkohol! Einkaufstourismus auf höchstem Niveau. Wie dieser Ort wohl während der coronabedingten Grenzschliessung ausgesehen haben mag?


Unser Weg führt uns weiter gen Norden: auf sandigen Velowegen, schlaglöchrigen Nebenstrassen, kiesigen Pisten, Pflastersteinstrassen und pikfeinen Schnell- und Bundesstrassen. So dürftig der Zustand der hervorragend beschilderten Velorouten in ländlichen Gegenden ist, so überraschend ist die Velofreundlichkeit in manchen Städten, die mit Velostreifen, farbigen Markierungen und Fahrradbevorzugung aufwarten.


Das Ortsbild in ländlichen Gegenden strahlt eine morbide Tristesse aus. In Städten wird diese mal mehr, mal weniger gelungen von modernen Bauten verdrängt. In den Dörfern sind nicht viele Menschen unterwegs. Die wenigen, die wir treffen, sind aber sehr freundlich. Sie helfen uns stets weiter, wenn wir Einkaufsmöglichkeiten suchen oder unsere Trinkflaschen auffüllen müssen. Wir können uns gut mit Deutsch, Englisch, ein paar Brocken Polnisch und Händen und Füssen verständigen.


Es scheint eine sehr religiöse Gegend zu sein. Die Ortseinfahrten zieren bunt dekorierte Kreuze oder Mariastatuen. Es hat viele grosse Kirchen, die immer gut in Schuss sind, mag das dazugehörige Dorf noch so klein sein. Im Städtchen Swiebodzin nimmt das Ganze aber eine bizarre Form an: plötzlich taucht eine 36 m hohen Jesus Christus Statute vor uns auf. Es ist die höchste Christusstatue der Welt. Sie trohnt auf einem Hügel und wurde 2010 auf Initiative des damaligen örtlichen Pfarrers mit Spendengeldern in Höhe von ca. 2,5 Millionen Euro erbaut. Auf Wunsch des Pfarrers wurde bei dessen Tod sein Herz am Fusse der Statue begraben. Das scheint mit eine Auffassung von Religiosität zu sein, die ich nicht nachvollziehen kann. Was hat diese Huldigung noch mit christlichen Werten zu tun?


Eines schönen Morgens stehen wir vor einer gesperrten Brücke. Totalsanierung, sprich: kein Rüberkommen (trotz nachfragen bei den Bauarbeitern). Etwas weiter gibt es eine Autobahnbrücke, die für uns aber keine Option ist. Ansonsten weit und breit keine andere Möglichkeit. Es soll aber ein Boot geben, dass Fussgänger und Velofahrerinnen rüber bringt - irgendwo, irgendwann. Überall ist nur schilfiges Flussufer, kein Boot, keine Anlegestelle, keine anderen Leute, keine Infos. Wir fragen bei einem Angler nach. Er deutet auf eine Uferstelle mit etwas weniger Schilf. Aha, die Bootsanlegestelle ist also gefunden. Auf der anderen Uferseite ist ein winziger Hafen, das ist schon mal gut. Wir warten. Wir frühstücken. Wir warten. Es ist warm, die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel. Wir warten. Der Angler gibt uns zu verstehen, dass er drüben angerufen hat. Toll, Danke! Wir machen uns bereit und packen zusammen. Dann warten wir. Es ist heiss, die Sonne brennt runter. Wir warten. Wir setzen uns wieder. Wir warten. Dann ein Boot - es fährt vorbei. Wir warten. Ein zweites Boot - es legt an! Die Überfahrt dauert 2 Minuten und kostet 2.30 Chf - wir hätten auch ein Vielfaches davon bezahlt. :)


Im Städtchen Niechorze erblicken wir zum ersten Mal die Ostsee. Einfach wunderbar. Wir picknicken am Strand und geniessen das Meer. Als wir auf Übernachtungssuche durch den Ort fahren, ahnen wir, weshalb die vorherigen Dörfer so ruhig waren: alle Polen sind hier oben! :) Wir finden ein Campingplatz etwas ausserhalb des Getümmels und gönnen uns ein paar fahrfreie Tage.



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