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Schweden: Ystad - Jokkmokk, 31.8.-27.9.2020

Die Fährüberfahrt von Rønne (DK) nach Ystad (SE) überstehen wir recht gut. Es ist eine grosse Speedfähre mit der die Fahrt nur 1:30h dauert. In den nächsten Tagen radeln wir gemütlich durch das liebliche Südschweden. Ja, die Häuser sehen hier tatsächlich (fast) alle so aus wie man sich das in kitschigster Schwedenmanier vorstellt: rote Holzfassade, weisser Zaun um die Veranda, nette kleine (Ikea-)tischchen und Stühle darauf, der Vorgarten gepflegt und schön hergerichtet, daneben ein Geräteschuppen, Bootshaus oder eine Stall (natürlich alles in rot/weiss). Ein paar wenige Mutige haben ihr Haus wahlweise in gelb, grün oder blau gestrichen.


Zum Übernachten geniessen wir ausgiebig die gute Shelterinfrastruktur. Shelter sind Schutzunterstände oft mit Feuerstelle - und holz, manchmal sogar mit WC und fliessendem Wasser. Sie stehen in ganz Skandinavien Wanderern und Naturfreundinnen gratis zur Verfügung. Wir radeln von Shelter zu Shelter und erfreuen uns an den schönen Plätzen im Wald und an Seen . Es ist ein einfaches Radreisen hier. Es hat gute, ruhige Strassen und Wege, sowie reichlich Einkaufsmöglichkeiten in den zahlreichen kleinen Ortschaften. Dank der bereits beendeten Hauptferienzeit ist es ziemlich ruhig. Nur das Wetter ist manchmal eine Herausforderung. Regen, Sonne und Wind wechseln sich oft mehrmals täglich ab. So wechselt auch mehrmals täglich unsere Laune und unser Outfit: Regenhose an, Regenhose ab, Jacke an, Jacke ab, Pullover an, Pullover aus. usw.


In Göteborg nehmen wir uns eine Airbnb-Wohnung und hüpfen erstmals nach 6 Tagen unter die Dusche. Hier müssen wir auch eine unserer Schlafmatten ersetzen, die kaputt gegangen ist. Zudem nutzen wir die Zeit um zu überlegen und planen wie es weiter gehen soll. Auf unserer letzten Reise war die Richtung und das Ziel immer klar: (Süd-)Afrika. Da die ursprünglich angedachte Route für diese Reise (Balkan - Zentralasien) coronabedingt derzeit nicht möglich ist, sind wir etwas planlos gestartet - es ist ja eh nicht die Zeit für längerfristige Pläne. Das hat zur Folge, dass wir immer wieder neu entscheiden müssen, wo wir eigentlich hinfahren sollen. :) Es ist ein enormes Privileg, diese Entscheidung treffen zu können. Andererseits ist es auch anstrengend und Bedarf immer wieder Diskussionen und Überlegungen, die zeit- und energieraubend sind.


Da wir nun schon mal in Schweden sind, wollen wir weiter in den Norden. Meio wollte schon immer mal die Nordlichter sehen. Um die ganze Strecke nach Lappland zu radeln ist der Herbst/Winter bereits zu nah. Daher suchen wir nach einer Möglichkeit, schneller in den Norden zu kommen. Zug fällt weg, da die schwedische Bahn keine Velos mitnimmt. In den Bussen geht das (meistens), diese fahren aber nur regional, was ein vielfaches an Umsteigen bedeuten würde. Einfachheitshalber entscheiden wir uns für ein Mietauto. Wir quetschen uns und unserer Velos in einen VW Golf und fahren von Göteborg nach Luleå (1300 km). Unterwegs schauen wir bei Franky und Leni vorbei, die hierher ausgewandert sind und einen Bauernhof betreiben. Wir werden mit Frühstück und Elchbraten verwöhnt und die kleine Malin zeigt uns die besten Elch-Sichtungsspots - erfolgreich! Vielen Dank, dass ihr uns so herzlich in eure Familie aufgenommen habt.


In Luleå steigen wir wieder freudig auf die Räder. Autofahren ist einfach nicht gleich spassig. Es ist schon richtig Herbst hier oben. Die Besiedlungsdichte ist sichtbar geringer. Wir fahren durch endlose goldgelbe Wälder und vorbei an tausend Seen. Es ist wunderschön ruhig, karg und einsam hier oben. Einmal treffen wir 48 Stunden am Stück keinen anderen Menschen.

Dass der Sommer definitiv vorbei ist, merken wir auch daran, dass die Temperaturen in der Nacht bis auf -2 Grad fallen. Auch tagsüber steigt das Thermometer oft nicht über 8 Grad. Wir frieren. Für diese Temperaturen sind wir nicht gut genug ausgerüstet. Nach fünf Tagen frieren haben wir genug. Ausserhalb von Jokkmokk nehmen wir uns ein Häuschen auf einem Campingplatz. Hier machen wir Pause. Wir nehmen uns Zeit unserer Ausrüstung lapplandtauglich zu machen: Gummistiefel, gefütterte Hose und Jacke sowie und ein wärmeres Thermoshirt müssen her. Das will natürlich auch alles verstaut werden. Mit etwas Kreativität und unseren zusätzlichen Packsäcken (die wir in weiser Voraussicht mitgenommen haben) findet alles seinen Platz.


Nebst einem Haufen weiterer Kleinigkeiten, die zu erledigen sind, finden wir Zeit um zur Ruhe zu kommen und den wunderbaren Herbst zu geniessen. Wir sind an einem interessanten Ort gelandet. Jokkmokk ist ein Zentrum der samischen Kultur. Viele der ca. 15'000 schwedischen Samen leben in dieser Gegend. Seit 1605 findet hier jeweils im Februar der grösste Samenmarkt (Jokkmokks Vintermarknad) statt. Er ist einer der ältesten Märkte der Welt und ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis für Samen aus ganz Skandinavien. Aus dem ganzen Siedlungsgebiet (Sápemi, wie es die Samen selbst nennen) strömen Menschen in den sonst beschaulichen 3500-Seelen Ort. Bis zu 40'000 Besuchende soll der Markt haben. Nebst dem traditionellen Marktgeschehen finden Konzerte, Ausstellungen und Tanzvorführungen statt.


Abends und in der Nacht gehen wir auf Nordlichter-Jagd - erfolgreich! Und damit uns nicht langweilig wird, diskutieren, überlegen, recherchieren und planen wir mal wieder wo wir als nächstes hinradeln sollen/wollen/können. :)



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